6K-Kliniken stellen bundesweit einmaliges Vorgehen beim Kinderschutz vor
Krankenhäuser erarbeiten gemeinsam Schutzkonzepte für ihre Kliniken
Die Krankenhäuser des 6K-Klinikverbundes in Schleswig-Holstein ziehen beim Schutz von Kindern in ihren Einrichtungen an einem Strang und haben gemeinsam mit der Beratungsstelle „Wendepunkt“ aus Elmshorn ein standardisiertes Vorgehen erarbeitet, um ihre Mitarbeiter*innen darin zu unterstützen, mit der körperlichen und sexuellen Selbstbestimmung der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen respektvoll und angemessen umzugehen. Das bundesweit einmalige Projekt wird an diesem Wochenende im Rahmen der 13. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM) der Fachöffentlichkeit vorgestellt.
Die körperliche und sexuelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht eines jeden Menschen, auch von Kindern und Jugendlichen, das es zu respektieren gilt. Die Mitarbeitenden in einem Klinikum haben bereits ein gutes Gespür dafür, dieses Grundrecht bei ihren Patient*innen angemessen zu beachten. Dennoch sind im klinischen Alltag Situationen unvermeidbar, in denen die Grenzen des Bedürfnisses auf Selbstbestimmung erreicht werden, beispielsweise bei einem kleinen Kind, das sich natürlich gegen eine Blutentnahme wehrt und gegen seinen Willen festgehalten werden muss.
Dieses Beispiel verdeutlicht, die Intention des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), an Einrichtungen, die Kinder und Jugendliche betreuen, ein Schutzkonzept zu erarbeiten und umzusetzen. Es geht um mehr als um den Schutz vor körperlicher und sexueller Grenzverletzung. Tatsächlich geht es um nicht weniger als um einen Kulturwandel im Umgang mit Schutzbefohlenen, zu denen eben auch die jungen Patientinnen und Patienten einer Klinik gehören.
Mit einem bislang bundesweit einmaligen Projekt richten die Kinderkliniken und psychiatrischen Jugendeinrichtungen des 6K-Klinikverbundes und der Diako Flensburg den Blick nach innen. In den zurückliegenden anderthalb Jahren haben die Einrichtungen gemeinsam mit der Beratungsstelle „Wendepunkt“ aus Elmshorn ein Konzept erarbeitet, das ein Höchstmaß an Selbstbestimmung von Kindern und Jugendlichen zulässt und gleichzeitig die Mitarbeitenden davor schützt, unbeabsichtigt Grenzverletzungen zu begehen.
Damit erfüllen die Kliniken nicht nur die Vorgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses. Ihr Vorgehen ist darüber hinaus einzigartig, als dass Themen wie der respektvolle Umgang, der Schutz vor körperlicher und sexueller Grenzverletzung und das Recht auf Selbstbestimmung Einzug in den Alltag einer Kinderstation halten und eine Veränderung des Leitbilds und des Selbstverständnisses dieser Einrichtung zur Folge haben.
„Diese Themen werden mit der Umsetzung der Konzepte ab jetzt in Einstellungsgesprächen angesprochen, sie sind Gegenstand regelmäßig wiederkehrender interner Fortbildungen und sie führen zu einer erhöhten Aufmerksamkeit der Mitarbeitenden, lang vertraute klinische Abläufe daraufhin neu zu bewerten und gegebenenfalls zu verändern“, sagt der Mediziner und Kinderschutzexperte Dr. Thorsten Wygold und ergänzt: „Damit erwerben die Mitarbeitenden des 6K-Verbundes eine zusätzliche Kompetenz im Umgang mit ihren Schutzbefohlenen. Einzigartig ist dabei auch, dass nicht jede Klinik einzeln sondern verbundweit im Dialog ein passend für ihre Strukturen zugeschnittenes Schutzkonzept entwickelt hat.“
Dr. Thorsten Wygold ist Chefarzt der Kinderklinik am Heider Westküstenklinikum ist Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM) und hatte das Projekt angestoßen und geleitet.
„Mit der Erarbeitung von Standards für einen ganzen Klinikverbund gehen die 6K-Kliniken und die Diako Flensburg bundesweit im Kinderschutz voran“, sagt Dr. Thorsten Wygold und betont die gute Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen: „Bei dem Thema ziehen die beteiligten Kinderkliniken und psychiatrischen Jugendeinrichtungen an einem Strang und haben dank der engagierten Teilnahme ihrer Mitarbeitenden und der guten Begleitung durch den Wendepunkt mit dem Projekt ein wegweisendes Konzept erarbeitet.“
Das Schutzkonzept umfasst insgesamt zehn Bausteine, die von einer Risikoanalyse über Kriterien für die Personalauswahl und Personalentwicklung bis hin zu einem Beschwerde-Management, Interventions-, aber auch Rehabilitationsmaßnahmen reichen.
„Letztendlich geht es bei allen Maßnahmen um das Wecken von Achtsamkeit für das Thema und die Schaffung eines Bewusstseins dafür, dass Grenzverletzungen an Kindern und Jugendlichen immer wieder vorkommen, selbst dort, wo diesen geholfen werden soll“, sagt Hanne Traulsen vom Wendepunkt. „In der weit überwiegenden Zahl sind diese Verletzungen unbeabsichtigt und sicher auch unspektakulär. Aber natürlich stellt das Schutzkonzept in der Konsequenz auch einen Schutz der Kinder und Jugendlichen in öffentlichen Einrichtungen vor körperlicher und sexueller Gewalt dar. Denn das Schutzkonzept wirkt durch die Schaffung von Strukturen und Transparenz vorbeugend, in dem es mögliche Täterinnen und Täter abschreckt.“
Dass es in der Vergangenheit auch in medizinischen Einrichtungen und Heimen zu Übergriffen gekommen ist und auch heute noch vorkommen kann, weiß Dr. Thorsten Wygold als Experte im Beirat einer Kommission, die sich mit der Aufarbeitung von Gewalt und Missbrauch an Kinder und Jugendlichen beschäftigt hat.
Der Vorsitzende des 6K-Klinikverbundes, Dr. Roland Ventzke, lobt das hohe Engagement der Kinderkliniken und begrüßt das gemeinsame Vorgehen der Kinderschutzexpert*innen aller fünf Einrichtungen des Verbundes.
„Die Zusammenarbeit bei übergreifenden Themen macht die Stärke dieses Klinikverbundes aus. In dem Kinderschutzkonzept zeigt sich diese Stärke beispielhaft. Gemeinsam haben die Expertinnen und Experten aller Häuser ein bundesweit einmaliges Projekt auf die Beine gestellt und dafür gesorgt, dass wir hier im Norden bei diesem wichtigen Thema die Nase vorn haben und beim Kinderschutz hervorragend aufgestellt sind“, sagt Dr. Roland Ventzke und dankt in diesem Zusammenhang namentlich Dr. Thorsten Wygold. „Er war der Motor des Projekts und hat uns gemeinsam mit dem Wendepunkt zu diesem guten Ergebnis geführt.“
Das Konzept wird an diesem Wochenende im Rahmen der 13. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM) der Fachöffentlichkeit vorgestellt. Die morgen beginnenden Tagung wird in diesem Jahr hier in Schleswig-Holstein durch die Westküstenkliniken online ausgerichtet.